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Je mehr Dorf desto mehr Integration?

Ländliche Räume brauchen Zuwanderung

Auf dem Land wird wesentlich mehr miteinander gesprochen, über den Gartenzaun, auf der Straße, beim Einkaufen.  Foto: kwasibanane

Foto: kwasibanane

Von Nausikaa Schirilla

Alle Debatten und Forschungen zu Migration und Integration sind auf städtische Räume ausgerichtet. Doch wie sieht es auf dem Land aus? Das Land gilt als weniger entwickelt, weniger mobil, traditionell und feindlich gegenüber Zugezogenen. Aber sind das nicht auch Vorurteile?

»Bei uns in der Feuerwehr sind drei Flüchtlinge – sie können zwar noch wenig Deutsch, aber ihnen gefällt es und alle sind stolz darauf«, berichtet beispielsweise eine Studierende aus ihrem Heimatdorf. Eine Bekannte von mir, die mit ihrem afrikanischen Mann aufs Land gezogen war, berichtete, dass sie anfangs Sorge hatten, dass er dort nicht akzeptiert werden würde, aber es sollte ganz anders kommen. »Er ist viel integrierter als ich«, erzählte sie. Es würde dort auf dem Dorf wesentlich mehr miteinander gesprochen, über den Gartenzaun, auf der Straße, beim Einkaufen etc. – das würde sie eher nerven, aber ihm käme das sehr entgegen und daher hätte er auf vielfältige Weise Fuß gefasst.

Landkreise, Kleinstädte und Dörfer haben aufgrund des demographischen Wandels und der anhaltenden Landflucht mit einer Stagnation oder einem Rückgang der Bevölkerungszahlen zu kämpfen, was negative Auswirkungen auf Infrastruktur und lokale Ökonomie hat. Das Land ist aktuell angewiesen auf Zuwanderung und dies führte in vielen Kommunen auf politischer Ebene zu einer Öffnung gegenüber Migration auch aus dem Ausland. Vereine wie beispielsweise die Freiwillige Feuerwehr versuchen seit Jahren mit Programmen interkultureller Öffnung und antirassistischer Bildung jugendliche Migrant(inn)en zu rekrutieren.

Natürlich bieten ländliche Gebiete viele Nachteile für neu nach Deutschland migrierte Menschen. Migrant(inn)en sind eine größere Minderheit und daher sind Migrantenorganisationen und unterstützende Netzwerke schwieriger zu finden. Mangelnde Mobilität bringt große Nachteile für den Zugang zu Deutschkursen, Beratung, Fortbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen. Strukturen der Integrationsförderung, wie sie Integrationsbeauftragte gebildet haben, sind im ländlichen Raum weniger zu finden.

Aber das Land bietet auch viele Vorteile. In ländlichen Gebieten ist das Gemeinwesen von Sport- und Kulturvereinen, von Vereinen der Brauchtumspflege und der Freizeitgestaltung geprägt. Diese stellen wichtige Netzwerke und Kommunikationsknotenpunkte dar. Zugang zu Ressourcen und ortsspezifische Informationen sind stark an diese Netzwerke geknüpft. Akzeptanz und Teilhabe hängen von einer Aktivität in diesen Strukturen ab. Studien wie beispielsweise die der Schader Stiftung zeigen, dass diese Netzwerke und insbesondere Schlüsselpersonen in diesen Zusammenhängen den Zugang zum Gemeinwesen und damit auch zu Ressourcen und Hilfeleistungen wesentlich erleichtern und beschleunigen können. Zugezogene finden damit sehr schnell eine neue Heimat.

Diese Strukturen können aber auch negative Tendenzen beschleunigen. Die Forschung zeigt, dass wenn diese Vereine für Zugewanderte eintreten, dies die Gemeinwesen positiv beeinflusst und Zugewanderte viel schneller ankommen. Eine ablehnende Haltung hingegen kann aber auch nachhaltiger exkludierende Folgen haben.

Ländliche Räume enthalten aufgrund struktureller und sozialer Aspekte einige Nachteile, aber auch besondere Chancen für Zuwanderung. Migrationsforschung und Integrationsdebatten sollten diese stärker in den Blick nehmen.

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